Ein Landmetzger in Kassel-Calden hält mit Gastwirtschaft, Warmfleischmetzgerei und Wurstmuseum eine alte nordhessische Tradition hoch. Hier hängt der Himmel voller Würste. Buchstäblich. Bis zu 30.000 schlagstocklange, prall gefüllte „Ahle Würschte“ reifen bis zu einem Jahr und länger auf dem Speicher bei Thomas Koch.
Da dürfen sie so lange hängen bleiben, bis sich an ihrer Haut der gewünschte zarte Edelschimmel gebildet hat. Der Begriff „Ahle“ ist nordhessisch für „alte“ und deutet schon darauf hin, dass die Spezialität lange gelagert wird. Zeit ist nämlich das wichtigste Rezept bei der nordhessischen Wurst, die vor ein paar Jahren fast ausgestorben war, weil die modernen Turbo-Fleischbetriebe mit ihr nichts mehr anfangen konnten.
Im hessischen „Wurstehimmel“
Und die Speicher von heute wären sowieso viel zu warm.
Ganz anders bei Thomas Koch und einigen wenigen Kollegen: „Wurstehimmel“ heißt zu Recht seine Reifekammer unter dem Dach, die dank Lehmauskleidung auch ohne Klimaanlage immer angenehm kühl ist und 80 Prozent Luftfeuchtigkeit hat. Bis zu elf Monaten hängen die Würste hier und verlieren dabei bis zu 50 Prozent ihres Gewichts. Deshalb braucht die „Ahle Worscht“ oder auch „Rote Wurst“ genannt, einen Naturdarm.
Thomas Koch ist Landschlachter in Kassel-Calden. Er schlachtet die Schweine noch im Haus und verarbeitet sie warm. Dann muss er kein Nitritpökelsalz einsetzen. Bei ihm reifen die Köstlichkeiten wie noch vor hundert Jahren. Seine Spezialität wird lediglich mit Salinensalz, Pfeffer, Muskat, Knoblauch und Salpeter gewürzt. Durch letzteren erhält die Wurst auch ihre rote Farbe.
Koch hat ein Ladengeschäft, einen Gasthof, einen Stand in der Kasseler Markthalle, und ein kleines Ahle-Wurst-Museum hat er auch eingerichtet. Wer sich dafür interessiert, den führt Koch gern durch seinen Wurstehimmel, zeigt ihm die Varianten „Runde“ und „Wilhelmsthaler Stracke“. Und natürlich lässt er ihn auch mal probieren.
Dabei erfährt der Besucher dann auch, dass der Landschlachter zu den meisten Dingen seine ganz eigene Meinung hat. Bio? „Diese Siegel sind doch nur Geldschneiderei.
Slow Food? Da ist er ausgetreten, seit Edeka mitmachen darf. Schweine? Müssen mindestens zwei Winter erlebt haben und 130 Kilogramm auf die Waage bringen, um in seinem Wurstehimmel zu landen.
Und wie isst man die Ahle Wurscht richtig? Natürlich: man beißt von ihr ab. Denn Messer und Gabel hat doch früher kein Landwirt mit aufs Feld genommen.
So entsteht also ein traditioneller Leckerbissen der nicht nur für die Nordhessen ein wahres Kulturgut darstellt.
Quelle: https://www.wanted.de/im-wurstehimmel-/id_62028134/index 06.03.2013