Katharina Koch hat Politikwissenschaft studiert, dann übernahm sie die elterliche Landmetzgerei. Sie will das traditionelle Gewerbe zukunftsfähig machen. Ihr Rezept: das klassische Handwerk mit Innovation verbinden. Der Erfolg gibt ihr Recht.
Sie kennt sich mit Feldkieker, Eisbein oder Sülze aus, hat sich aber auch mit Platon, Aristoteles oder Machiavelli beschäftigt. Katharina Koch ist Fleischermeisterin mit Abschluss in Politikwissenschaft. Schon das zeigt: Die 34-Jährige geht auch mal den ungewöhnlichen Weg. Seit 2018 ist sie Inhaberin der Landmetzgerei Koch, gelegen in Calden bei Kassel. Seither modernisiert sie den Betrieb, den sie in fünfter Generation führt. Mit ambitionierten Zielen: Der Umsatz soll trotz der Corona-Krise deutlich wachsen. Und sie stellt sogar Personal ein. Nun ist sie für den Hessischen Gründerpreis in der Kategorie „zukunftsfähige Nachfolge“ nominiert.
Frau Koch, was macht Ihr Unternehmen?
Wir stellen ein einmaliges, regionales Lebensmittel her: Nordhessische Ahle Wurst. Wir erhalten die lange Tradition der handwerklichen Lebensmittelherstellung in Nordhessen. Wir sichern durch die Weiterentwicklung unseres Geschäftsmodells Ausbildungs- und Arbeitsplätze vor Ort und stärken regionale Wirtschaftskreisläufe.
Warum haben Sie den Betrieb übernommen?
Einerseits um die Familientradition in fünfter Generation fortzuführen und die Kultur eines außergewöhnlichen regionalen Lebensmittels zu erhalten. Andererseits aber auch, weil die Tätigkeit als selbstständige Unternehmerin für mich sehr spannend und sinnstiftend ist.
Sie sind ein kleiner Betrieb in einer Branche, in der die Kleinen sehr unter Druck stehen.
Ich möchte nicht in einer Gesellschaft leben, in der es nur noch eine Wurstsorte gibt, die in einer zentralen Fabrik produziert wird. Ich möchte nicht, dass der ländliche Raum ausstirbt und man in allen Innenstädten nur noch die immer gleichen Geschäfte findet. Ich möchte, dass Tiere unter würdigen Bedingungen gehalten werden und die Landwirte und Handwerker von ihrer Arbeit leben können. Ich bin davon überzeugt, dass der Erhalt der Vielfalt von kleinen, individuellen Produzenten am Ende gut für alle ist: Für die Erzeuger sowie für die Genießer von hochwertigen Lebensmitteln und ganz allgemein für Umwelt, Mensch und Tier.
Was genau haben Sie mit dem Unternehmen vor?
Wir werden von einer klassischen Landmetzgerei zu einer Manufaktur mit Online-Verkauf. Die Herstellungsweise unserer Produkte bleibt bewusst sehr traditionell, mit Schweinen von kleinen Bauern aus der Umgebung, eigener handwerklicher Schlachtung und Verarbeitung sowie reiner Naturreife. Es werden sich vor allem die Vertriebskanäle ändern und die bestehenden Geschäftsprozesse werden weiter verbessert. Hierfür wird mir der digitale Wandel noch viele weitere Möglichkeiten eröffnen und mir dabei helfen, unsere Marke zu stärken und weiterzuentwickeln.
Was sind die jüngsten Neuerungen im Unternehmen?
Wir haben neue Produktvarianten entwickelt: Ahle Wurst mit Gin, Honig oder Schokolade. Ich setze außerdem auf einen mitarbeiterzentrierten Führungsstil: Entgegen dem allgemeinen Trend finden wir genügend Auszubildende und Fachkräfte. Und wir haben unsere Unternehmenskommunikation neu ausgerichtet und intensiviert.
Wie nutzen Sie die Digitalisierung konkret?
Wir haben kürzlich unser komplettes Kassen- und Waagensystem ausgetauscht. Das klingt nicht besonders spektakulär, spart uns aber in der Praxis viel Zeit und Arbeit. Auch laufen nun die Bestellungen und Lieferungen für unsere Kunden mit den Online-Bestellungen aus dem Webshop in meinem Büro auf einem Rechner zusammen. Die Herausforderung in einem kleinen Betrieb wie unserem sind im Moment noch die vielen Schnittstellen von analog zu digital.
Wie reagieren die Beschäftigten auf diese Veränderungen?
Das ist von Kollege zu Kollege unterschiedlich. Unsere Azubis sehen beispielsweise sofort den Vorteil, den ihnen neue Technologien bieten. Sie unterstützen auch unsere weniger „digitalaffinen“ Mitarbeiter beim Umgang mit dem neuen System. Insgesamt sind aber alle offen für Veränderung, vor allem, wenn sie sehen, dass sie zum Beispiel bei zeitraubenden Routineaufgaben entlastet werden.
Sie haben Politikwissenschaften studiert. Was bringt Ihnen das Studium jetzt als Firmenchefin?
Die Erfahrungen im Studium haben mich persönlich aber auch in Hinblick auf mein Unternehmen weitergebracht. Ohne das Studium und die ersten Einblicke ins Berufsleben im In- und Ausland hätte ich mich womöglich nie für die Übernahme des Familienunternehmens entschieden. Ich hatte die Wahl und habe mich für das Leben als Unternehmerin entschieden. Abgesehen davon muss man auch in Handwerksbetrieben mit viel Bürokratie fertigwerden und sich schnell in neue Sachverhalte einlesen und -arbeiten können.
Was war das emotionalste Erlebnis seit der Übernahme des Betriebs?
Die vielen kleinen Bekundungen von Wertschätzung und Unterstützung während der Unsicherheit, die die Corona-Krise mit sich gebracht hat. Der unermüdliche Einsatz unserer Mitarbeiter in dieser schwierigen Zeit und die Dankbarkeit der Kunden dafür, dass wir ohne Unterbrechung für sie da waren.
Und was die größte Herausforderung?
Die Betriebsübernahme. Neben den bürokratischen Hürden war der Wechsel der Rolle von der Tochter zur Chefin eine große Herausforderung. Sowohl für mich wie auch für meinen Vater.
Was war am Rollenwechsel so schwierig?
Nicht so sehr der Rollenwechsel als solcher, sondern eher die Übergangszeit, in der zwei Personen mit ganz unterschiedlichen Perspektiven Entscheidungen in einem Unternehmen gefällt haben. Einerseits mein Vater, mit jahrzehntelanger Erfahrung und einem Lebenswerk, auf das er zu Recht stolz ist. Auf der anderen Seite ich, die das Unternehmen zukunftsfähig gestalten will. FR