Für den – im wahrsten Sinn des Wortes – eingefleischten Liebhaber nordhessischer Küche wird schon diese Wort-Kombination ein Appetitkiller sein. Katharina Koch aber hat mit diesem, nennen wir es mal „Veggiewerk“, einen echten Hit in die Regale gebracht. Und wer bei einer Kostprobe nicht weiß, dass im Weckewerk diesmal kein Milligramm Fleisch drin ist, der merkt den Unterschied nicht.
Bevor Katharina Koch die Landfleischerei ihres Vaters übernommen hat, war unter den tausenden von Würsten im über die Region hinaus bekannten „Wurstehimmel“ mit Sicherheit keine ohne Fleischinhalt zu finden. Das Unternehmen, das sie in fünfter Generation führt, trägt nun den Beinamen „Katharina Koch – Metzgerei und Wurstkultur.“ Und zur Wurstkultur gehört eben auch, dass sich auch diese Kultur verändert.
Überregionale Wurstproduzenten haben die Trendumkehr längst gespürt – immer mehr Menschen essen weniger Fleisch, immer mehr greifen zu vegetarischen und veganen Produkten. Was bei manchen Großen der Branche dazu führt, dass man mittlerweile mehr Umsatz mit Fleischersatzprodukten als mit Wurst und Co. macht. Der ökologische Ansatz, der dabei gern in den Fokus gerückt wird, ist einer, der Katharina Koch nicht überzeugt – und Motivation für den Ausbau des eigenen Veggie-Sortiments ist. Lange Transportwege, aufwändige Verpackungen mit viel Plastik und eine lange Liste an Zusatzstoffen – das, sagt sie – passt nicht wirklich zum Ansatz, sich bewusster und nachhaltiger ernähren zu wollen. Für sie spricht alles für mehr Regionalität im Veggie-Angebot: „Ein Handwerksbetrieb wie unserer kann genau diese Lücke füllen. Wenn wir vegetarische Produkte anbieten, sollen diese den gleichen Ansprüchen gerecht werden, die wir an unsere fleischhaltigen Produkte stellen: Hochwertige Zutaten, traditionell handwerklich verarbeitet und ohne unnötige Zusätze.“
Los ging’s zur documenta 15. Katharina produzierte im Auftrag der doc-Leitung die offizielle documenta-Stracke. Und war angehalten, auch ein Alternativangebot für vegane Konsumenten zu entwickeln. Mit der Ahlen Wurscht, erinnert sie sich, klappte das nicht so recht. Um eine vegane Variante herzustellen, bräuchte man jede Menge Hilfsmittel, Farbe etc. Hoher Aufwand, nicht zufriedenstellendes Ergebnis – eine Gleichung, die die erfolgreiche junge Unternehmerin so nicht akzeptiert.
Und so entstand das „Veggiewerk“ – das aber nicht so heißt. Drinnen enthalten sind weiße Bohnen, Reiswaffeln, die klassischen Weckewerk-Gewürze – und schon hat man den Doppel-Wumms, nämlich ein veganes Weckewerk, das man klassisch in der Pfanne zubereiten, aber eben auch als Brotaufstrich nutzen kann. Und eine vegane Leberwurst gibt es im Angebot – Schwerpunktzutaten sind Kidney Beans und Röstzwiebeln. Katharina Koch ist klar, dass man auf der einen Seite über weitere Produkte nachdenken muss – und auf der anderen Seite sich Gedanken über die rechte Produktbezeichnung machen muss. Denn die Leberwurst ist eben keine Leberwurst – und die Kunden, sagt sie, sollen auf den ersten Blick wissen, was sie in der Hand halten.
Katharina Koch weiß, dass die Weiterentwicklung des Familienbetriebes auch eine Art Spagat ist. Auf der einen Seite die Tradition fortzuführen – und es gibt eben auch jede Menge traditioneller Kundschaft. Die nordhessische Wurstsorte mit Anfangsbuchstabe „U“ – Uffschnitt eben – wird auch in Jahren noch gefragt sein, Ahle Wurscht sowieso, aber eben auch die klassische grobe Bratwurst zum Grillen und all die anderen beliebten Wurstsorten. Hier dann das nächste „Aber“: Auch die Klassiker kann man veredeln – die Fenchelbratwurst für die Grillsaison ist schon im Angebot, Zutaten wie Gin und Honig werden gern genommen, die Ahle Wurscht mit Knoblauch und Vanille (!) überzeugte manche. Die Sonderprodukte laufen super, sagt sie – und wenn es die Bratwurst mit Spinat und Gorgonzola ist. Wobei aus nordhessischer Sicht eigentlich Kochkäse der Gorgonzola-Ersatz sein müsste …
Nichts ist undenkbar für die Chefin – die mit ihrem Team immerhin schon eine Erfahrung gemacht hat, die nicht jede regionale Metzgerei vorweisen kann: Der Veggie-Trip wird ein Muss sein, aus ökologischer Sicht müssen die Regionalen in dem Marktsegment unbedingt an den Start. Und: Kreativität ist eine Investition, die von der Kundschaft honoriert wird.
Die Caldener Wurstkultur wird nicht lange mit neuen Ideen auf sich warten lassen. Und wie war das nochmal mit dem Kochkäse?
Text: Horst Seidenfaden
Foto: Harry Soremski